Was der Klimawandel mit den Zugvögeln macht

Unser Ornithologe Matthias hat uns hier einmal einen kleinen Bericht zu den Einflüssen des Klimawandels bzgl der ....

Der aktuelle Bericht der WMO (Weltorganisation für Meteorologie) zeigt wieder einmal eindrücklich, dass der Klimawandel in vollem Gange ist. Demnach lag die durchschnittliche Temperatur weltweit 2023 etwa 1,45 Grad Celsius über dem Niveau vor der Zeitrechnung der Industrialisierung. Auch die Messungen des Deutschen Wetterdienstes belegen, dass das vergangene Jahr bei uns das wärmste seit 140 Jahren war. Während wir Menschen in Mit-teleuropa aktuell die Auswirkungen vor allem durch längere, trockenere Perioden und Ext-remwetterlagen spüren, sind auch die Folgen für die Vogelwelt seit einigen Jahren bereits sehr weitreichend. Grundsätzlich sind diesen Auswirkungen alle Vögel ausgesetzt. Insbeson-dere aber auch die Zugvögel müssen mit teilweise einschneidenden Veränderungen ihrer Lebensumstände zurechtkommen, da sie auf stabile Verhältnisse mehrerer Orte der Welt gleichzeitig angewiesen sind. Dabei müssen auch die Anpassungen der Zugvögel an neue Begebenheiten wie früher beginnende Vegetationsphasen und das verfrühte Auftreten der Insekten immer schneller erfolgen. Wenigen Arten gelingt dies noch vergleichsweise gut, der überwiegenden Mehrheit dagegen leider nicht. 

Während Standvögel bei uns das ganze Jahr verbringen, halten sich unsere Zugvögel nur zur Brutzeit in Deutschland auf. Durch die immer länger anhaltenden Trockenperioden und die konstant steigenden Temperaturen, die der Klimawandel verursacht, verschieben sich inzwi-schen auch die Jahreszeiten bei uns. So wird der Winter wird immer kürzer, das Frühjahr dagegen immer länger. Auch die Temperaturen im Winter werden milder, sodass lange Frostperioden inzwischen eher die Ausnahme sind. Diese Veränderungen haben auch direk-ten Einfluss auf die Zugzeiten der Zugvögel. Beobachtungen zeigen, dass viele unserer Zug-vögel inzwischen bereits etwa drei Wochen früher in die Brutgebiete zurückkehren als noch vor 40 Jahren. Gründe hierfür sind steigende Temperaturen in den afrikanischen Überwinte-rungsgebieten und immer weniger Niederschläge an bekannten Rastplätzen, sodass die Vö-gel nur kurz rasten können und danach gleich weiterziehen müssen. Eine frühere Rückkehr ist oft auch mit einem früheren Brutbeginn gekoppelt wie beispielsweise Untersuchungen aus England zeigen, wonach heute etwa jede 3. Vogelart früher mit der Brut beginnt als noch in den 70er Jahren. 

Neben veränderten Zugzeiten und Brutbeginnen, ändert sich inzwischen auch das komplette Zugverhalten einiger Zugvögel. Als eine der häufigsten Phänomene sind hier sicherlich ver-kürzte Zugwege zu nennen. So kann man beispielsweise immer öfter beobachten, dass Vögel wie beispielsweise der Weißstorch Ciconia nigra nicht mehr die weite, gefährliche Reise bis nach Nordafrika auf sich nehmen, sondern vermehrt in Spanien überwintern. Derartige Be-obachtungen können seit einigen Jahren bei etlichen Zugvögeln gemacht werden. Vor allem sogenannte Kurzstreckenzieher, die in Südeuropa oder Nordafrika ihre Überwinterungsge-biete haben verkürzen so immer häufiger ihre Zugstrecken. Offensichtlich scheint der Drang zur Migration bei dieser Gruppe von Zugvögeln nicht so fest verankert zu sein, wie bei Lang-streckenziehern, die bis südlich der Sahara ins tropische Afrika ziehen. Neben verkürzten Zugstrecken gibt es sogar manche Vögel, die sich komplett neue Flugrouten und Winterquar-tiere erschließen. So überwintern zum Beispiel immer mehr Mönchsgrasmücken Sylvia atri-capilla aufgrund des dort immer milderen Winters im Süden Englands, obwohl ihre traditio-nellen Überwinterungsgebiete in Südeuropa und Nordafrika liegen. 

Während also einige Kurzstreckenzieher kürzere Strecken zurücklegen oder gar völlig neue Zugrouten erschließen, gibt es inzwischen sogar viele Zugvögel dieser Gruppe, die überhaupt nicht mehr im Winter wegziehen, sondern bei uns bleiben. Sie werden also in einem schlei-chenden Prozess vom Zug- zum Standvogel. Beispiele hierfür gibt es einige. Die wohl be-kanntesten Vertreter sind Singvögel wie der Star Sturnus vulgaris, die Singdrossel Turdus philomelos, die Bachstelze Motacilla alba und der Hausrotschwanz Phoenicurus ochruros. Aber auch Nicht-Singvögel wie der Kiebitz Vanellus vanellus und der Rotmilan Milvus milvus sind in immer größerer Anzahl bei uns im Winter zu beobachten. 

Doch welche Vorteile bietet es den Zugvögeln, wenn sie nicht mehr im Winter wegzie-hen? 

Zum einen ist der Zug eine immense körperliche Anstrengung für den Vogel und auch mit etlichen Gefahren verbunden, denen die Tiere nicht ausgesetzt sind, wenn sie im Winter in ihren Brutgebieten bleiben. Zum anderen haben diejenigen, die früher im Brutgebiet ein-treffen den späteren Heimkehrern gegenüber einen Vorteil, da sie bereits Reviere besetzen und früher mit der Brut beginnen können. Die später eintreffenden Individuen der gleichen Art und auch die Langstreckenzieher müssen dann bei ihrer Rückkehr mit einer größeren Konkurrenz um geeignete Brutplätze zurechtkommen. Außerdem begünstigen die kürzeren Winter und steigenden Temperaturen auch einen früheren Schlupf vieler Insekten, die für die Aufzucht der Jungvögel essenziell für alle unsere heimischen Singvögel sind. Vögel die später in ihrem Brutgebiet ankommen, haben dann teilweise Probleme mit der zur Zeit des größten Insektenaufkommens synchronisierten Jungenaufzucht. Diese verzögerte Ankunft im Brutgebiet wird durch den Klimawandel vor allem den Langstreckenziehern immer mehr zum Verhängnis. Denn Vögel dieser Zugvogelgruppe wie der Kuckuck Cuculus canorus, der Pirol Oriolus oriolus und auch die Nachtigall Luscinia megarhynchos müssen längere Stre-cken zurücklegen, da durch den Klimawandel viele ursprüngliche Rast- und Überwinterungs-gebiete vertrocknen.

Gibt es unter den Zugvögeln auch Gewinner des Klimawandels?

Es gibt tatsächlich einige wenige Vogelarten, die von den steigenden Temperaturen des Kli-mas zu profitieren scheinen. Dies sind zumeist Arten, die ohnehin wärmeliebend sind. So finden wir inzwischen auch bei uns in Deutschland immer nördlichere Vorkommen von den bunten Bienenfressern Merops apiaster und dem Wiedehopf Upupa epops. Wenn man genau hinschaut, sieht man allerdings auch, dass bei solchen scheinbaren „Gewinnern“ vielmehr eine Verschiebung der ursprünglichen Verbreitungszonen stattfindet, denn durch die immer trockener werdenden Ursprungsgebiete der Vögel geht hier auch gleichzeitig Lebensraum verloren. Vor allem Standvögel profitieren von wärmeren Wintern, ein paar Kurzstrecken-zieher scheinen nach aktuellem Wissensstand jedoch auch einen Vorteil aus längeren Früh-jahren und damit auch längeren Brutzeiten ziehen zu können. 

Grundsätzlich muss man aber leider festhalten, dass der größte Teil der Zugvögel klarer Ver-lierer des Klimawandels ist. Tiere und Pflanzen mussten und müssen sich schon seit jeher auf Umwelteinflüsse einstellen und sich anpassen. Doch der rasant fortschreitende Klimawandel und seine Folgen verlangen eine so schnelle Anpassung der Vögel, die für die meisten Arten in so kurzer Zeit nicht möglich ist. Um den Zugvögeln bei ihrer Anpassung eine Hilfestütze zu leisten ist der Erhalt intakter Rastgebiete unabdingbar. Die weltweite Lebensraumzerstörung macht neben den Wäldern nämlich auch vor den für Zugvögel so wichtigen Feuchtgebieten nicht halt. In jedem Fall bleibt es spannend zu beobachten wie weit sich die Zugvögel an den Klimawandel anpassen können und wie sich damit der Vogelzug verändern wird. Hoffentlich schaffen sie es mit den immer extremeren Klimabedingungen zurechtzukommen, damit wir uns auch in Zukunft an unseren gefiederten Freunden erfreuen können.

Autor: Matthias Overmann

Als Ornithologe und Biologe unterstützt Matthias das Team mit seinem Fachwissen und versorgt uns mit den wissenschaftlichen Neuigkeiten rund um die Themen Vogelfütterung und Ornithologie. Ihn treibt insbesondere das dramatische Artensterben an, weshalb er sich schon seit Jahren im Naturschutz engagiert.

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